Cloppenburg – Die Gefahrgutübung am 17. September in Cloppenburg hatte einiges zu bieten. Neben gefährlichen Gütern gab es einen Großbrand, Verletzte, Vermisste und Menschen die weder vor und zurück können.
Bild: Missliche Lage unter dem Chemikaliencontainer. Hebekissen bringen Erleichterung.
Wenn man einen ganzen Gefahrgutzug und die gastgebende Feuerwehr beschäftigen will, dann muss das Szenario schon etwas bieten. Stadtbrandmeister Horst Lade und Gefahrgutzugführer Reinhard Vaske hatten alles dafür getan, dass keine Langeweile aufkommen konnte. Stattgefunden hat die Übung auf dem Gelände der Firma Agravis.
Am Samstagmittag nimmt das Unglück mit einem Schwelbrand in einer Lagerhalle seinen Lauf. Es folgt eine Verpuffung und der Vollbrand der Halle. Durch die Verpuffung stürzen im angrenzenden Lagergebäude Chemikalienbehälter aus den Regalen. Gefahrstoffe treten aus und reagieren miteinander. In der Halle A löst die CO2 Löschanlage aus. Sie schützt das große und hohe Logistikgebäude, schneidet aber zwei Dachdeckern auf dem Hallendach den Rückweg ab. Die Dachdecker sind schwer verletzt und so ist es fraglich, ob sie das Dach überhaupt selbst verlassen könnten. Um die Sache abzurunden, stehen zwei Agravis-Mitarbeiter auf der Vermisstenliste. Vermutlich befinden sie sich im Chemikalienlager. Das ist die Lage nachdem die Feuerwehr Cloppenburg aufgrund der automatischen Brandmeldeanlage alarmiert wird.
Bild: Notdekontamination vor der Logistikhalle
Die beiden stellvertretenden Stadtbrandmeister Dieter Leuschner und Ulli Lade sehen bereits auf der Anfahrt dichte schwarze Rauchwolken. Sie lassen nachalarmieren. In Cloppenburg heulen die Sirenen. Die beiden befragen den Betriebsleiter und erkunden die Lage. Schnell wird ihnen klar, das kann die Feuerwehr Cloppenburg nicht alleine schaffen. Aus der Lagemeldung an die Großleitstelle wird schließlich das Stichwort B4Y und „Gefahrgutunfall groß“. Die Leitstelle alarmiert den kompletten Gefahrgutzug, den ABC-Dienst und die FTZ. Mit den bereits eingesetzten Kräften sind das fast 120 Menschen und 26 Fahrzeuge.
Bild: Zu so einer Übung gehört auch das Rote Kreuz
Gut 20 Beobachter sind bei der Übung dabei. Sie verfolgen, wie die Besatzung der neuen Drehleiter die beiden Dachdecker rettet. Auch im Chemikalienlager können sie zuschauen. Zunächst sehen sie, wie der erste Trupp die Lage erkundet und zwei Verletzte entdeckt. Einen der beiden kann der Trupp sofort retten, der andere ist unter einem Chemikalienbehälter eingeklemmt. Dafür braucht man schweres Gerät. Ein zweiter Trupp wird in die Halle geschickt. Sie sollen den Mann befreien. Die Helfer tragen Atemschutzgeräte und leichte Schutzanzüge. Sie schieben pneumatische Hebekissen unter den Behälter. Jede Sekunde zählt und die beiden arbeiten konzentriert. Aus Atemluftflaschen strömt Druckluft in die flachen Gummikissen. Zentimeter für Zentimeter wird der Behälter angehoben, bis der Dummy, der den Arbeiter darstellt, schließlich befreit ist. Vorsichtig legen sie ihn in eine Schleifkorbtrage, und tragen den „Verletzen“ hinaus. Der Rettungsdienst steht schon bereit, in der Übung genauso wie im echten Einsatz. Bevor sie ihrem Patienten helfen können, muss der zunächst dekontaminiert werden. Vor der Halle stehen große gelbe Wannen, hier werden die Gefahrstoffe mit viel Wasser abgewaschen. Auch die beiden Retter müssen dekontaminiert werden, erst dann können sie sich ausziehen und die Atemschutzgeräte ablegen.
Erst nachdem alle Menschen gerettet wurden beginnt der eigentliche Gefahrguteinsatz. Zwei Mann in den markanten Gas- und chemikaliendichten Anzügen. Es braucht alleine eine Viertelstunde und einen Helfer bis ein Chemikalienanzug (CSA) ordentlich angelegt ist. Aber bevor der Einsatzleiter den CSA-Trupp ins Objekt schickt, muss er wissen, wie er sie im Notfall wieder herausbekommt. Es muss auch klar sein, wie die CSA nach dem Einsatz von Chemikalien befreit werden. Er braucht also einen Rettungstrupp und eine Dekontaminationsanlage. Duschkabinen, Warmwasserbereiter und Auffangbecken. Durchgeführt wird die Dekontamination von Feuerwehrleuten in Kunststoffoveralls und mit Atemluftfiltern. Bis das alles aufgebaut ist vergeht eine ganze Zeit. Schließlich ist es so weit. Der erste Trupp kann eingesetzt werden. Er soll erkunden. Was ist ausgelaufen und in welcher Menge? Danach kommen weitere Trupps und nehmen die Stoffe auf, mit Saugern oder Bindemittel. So weit kommt es in der Übung aber nicht. Nach gut zweieinhalb Stunden ist Schluss. In der Realität würde es wohl noch bis in den späten Abend weitergehen. Gefahrguteinsätze dauern lange.
Als alle Geräte wieder auf den Fahrzeugen verstaut sind, treffen sich die Einsatzkräfte auf dem Firmenhof. Das DRK hat eine Verpflegungsstation aufgebaut und serviert heiße Gulaschsuppe. Zeit für Gespräche. Die Gäste sind von dem Aufwand und dem Ablauf der Übung beeindruckt. Dabei haben sie wesentliche Teile der Übung gar nicht sehen können. Die Arbeit der Fernmeldegruppe und des ABC-Dienstes zum Beispiel findet fast im Verborgenen statt. Die Fernmelder stellen die Kommunikation an der Einsatzstelle und mit der Außenwelt sicher. Der ABC-Dienst nimmt Luftproben und veranlasst das die Bevölkerung vor Giftwolken gewarnt werden.
Zum Abschluss wenden sich Horst Lade, Kreisbrandmeister Oltmanns und der Agravis Logistikleiter Marcus Menne an die Einsatzkräfte. Die drei sind sehr zufrieden mit dem engagierten Auftritt der Einsatzkräfte und der guten Zusammenarbeit zwischen der Feuerwehr und Agravis.